Renée Tribble
Stadtwissen
Wenn StadtWissen Raum produziert
Ein (iterativer) Beitrag zu Raumverständnis und Stadtforschung
„StadtWissen“ – was ist das überhaupt und welchen Anteil daran hat der planerische Blick auf Stadt? Was ist es, was manche Orte erst zu Orten werden lässt? Welches Wissen „produziert“ hier Stadt?
Im Masterseminar an der TU Dortmund im Wintersemester 2021/22 haben sich die Studierenden mit der Erhebung, Kartierung und Repräsentation von „StadtWissen“ am Beispiel des Kasseler Ostens von den Fuldaauen in Waldau bis zum Kasseler Hafen auseinandergesetzt. Ziel war es, verschiedene Wissensformen und Lesarten des untersuchten Raumes zu versammeln und zu untersuchen, wie sich diese gegenseitig informieren können, welche Darstellungsformen geeignet sind, um dieses Wissen darzustellen, welche Akteur:innen und Prozesse aktiver und nichtaktiver Teil der Stadtentwicklungen sind, und ob, wann und wie diese zusammengedacht werden können.
In Kooperation mit der Universität Kassel, Gastprofessorin Korinna Thielen, Stadtmanagement, und MAP Markus Ambach Projekte, Düsseldorf, kam es zu einer parallelen Annäherung an den Raum, die Akteur:innen und die Infrastrukturen. Da pandemiebedingt keine Exkursionen möglich waren, fanden in mehreren Austauschformaten gegenseitige Vorstellungen der unterschiedlichen disziplinären Herangehensweisen, Wissens- formen und Repräsentationsarten (Erzählungen, Kartografien, Plananalysen ...) statt, um voneinander zu lernen.
Zunächst wurde das vorhandene, zugängliche, gespeicherte, dargestellte und abrufbare Wissen zusammengetragen. Stadtplaner:innen stellten aktuelle Planungen vor und glichen sie mit dem Ist-Zustand ab. Methodisch wurde mit Darstellungsformen experimentiert, um dieses StadtWissen dar- stellen zu können. Das gesammelte Wissen sollte nicht nur auf den Raum selbst projiziert und verortet werden, sondern auch im Hinblick auf die vier Ebenen des relationalen Raummodells von Gabriele Sturm (1) – materiale Gestalt, normative Regulation, soziales Handeln und kultureller Ausdruck – eingeordnet werden. Der Versuch, dieses Wissen trennscharf in Kartenwerken darzustellen, führte die Komplexität, Überlagerungen und Mehrdeutigkeiten von StadtWissen vor Augen. Für jede Ebene sollten alle Bereiche, über die Wissen in dieser Raumebene vorlag, schwarz eingefärbt werden. Manche Karten zur normativen Regulation wurden vollständig schwarz dargestellt, „da im städtischen Kontext eigentlich jeder Quadratmeter Fläche gewissen Regeln unterstellt ist“,(2) andere waren nur vereinzelt schwarz eingefärbt, nämlich dort, wo spezielle normative Regulationen vorhanden sind. Trotz starker Unterschiede wurde so deutlich, zu welchen Orten des Betrachtungsraums viele Informationen vorhanden und welche eher unbekannt sind. Die Methode eignet sich also eher, um sich den eigenen Wissensstand über einen Raum zu vergegenwärtigen.
Es bleibt die Frage, wie lokales raumprägendes Wissen dargestellt werden kann. Wie wird dieses an Personen geknüpfte Wissen zugänglich? Und wie könnte es für alle zugleich und gleichzeitig bekannt und abrufbar sein? Denn ist es nicht dieses spezifische Wissen von Menschen, die an einem Ort wirken respektive handeln, das diesen Ort erst zu dem macht, was er ist? Am Beispiel der von Markus Ambach besuchten lokalen Akteur:innen wird dies offensichtlich. Die Landschaft setzt sich aus den Orten der Akteur:innen zusammen. Ihr Wissen prägt ihr Handeln. Ihr Handeln prägt die Orte, und die Orte bilden die Protagonisten der Landschaft.
1 Gabriele Sturm, Wege zum Raum: methodologische Annäherungen an ein Basiskonzept raumbezogener Wissenschaften, Wiesbaden 2000.
2 Paul Schubert, Dokumentation Seminar „StadtWissen“, TU Dortmund, StädteBauProzesse 2022.
Renée Tribble
Stadtwissen
When StadtWissen (Urban Knowledge) Produces Space
An (iterative) contribution to spatial understanding and urban research
StadtWissen, or urban knowledge—what even is this, and what part does the urban planning perspective on space play in it? What is it that makes some places become places to begin with? What kind of knowledge “produces” urban space here?
During a master’s seminar at TU Dortmund University during the winter semester 2021–2022, the survey, mapping, and representation of this urban knowledge was examined using the example of East Kassel, from the Fuldaaue in Waldau to Kassel’s harbor. The aim was to assemble different forms of knowledge and readings of the studied space and to investigate how these can inform each other, which presentation formats are suitable to represent this knowledge, which ac- tors and processes are active and non-active parts of urban developments, and if, when, and how these can be considered holistically.
In cooperation with the University of Kassel, visiting professor of urban management Korinna Thielen, and MAP Markus Ambach Projekte, Düsseldorf, the space, the actors within the space, and its infrastructures were approached in parallel. Since field trips were not possible, several exchange formats were used to present various disciplinary approaches, forms of knowledge, and modes of representation (narratives, cartographies, plan analyses ...) so that everyone could learn from each other.
First, the existing, accessible, stored, illustrated, and available knowledge was compiled. Current plans were presented by urban planners and compared to the status quo. Then there was methodological experimentation with presentation formats in order to be able to represent this urban knowledge. The intention was not only for the collected knowledge to be projected onto and situated within the space itself, but also to be classified according to the four levels of Gabriele Sturm’s relational model of space—material form, normative regulation, social action, and cultural expression.(1) The attempt to represent this knowledge distinctively in maps revealed the complexity, overlaps, and ambiguities of urban knowledge. For each level, all areas for which there was existing knowledge relating to that spatial level were to be colored black. Some maps on normative regulation were completely black, “since in the urban context every single square meter of space is subject to certain rules,” (2) while others only had occasional areas of black, where there were specific normative regulations. Despite stark differences, it became clear which parts of the observation area had a lot of information available and which were relatively unknown. This method is therefore more suitable for illustrating your own personal level of knowledge about a space.
The question remains, how can local space-defining knowledge be represented? How does this knowledge, which is tied to people, become accessible? And how could it be made known and available to everyone at the same time? After all, is it not this specific knowledge belonging to the people who operate and act within a place that make it what it is? This becomes clear through Markus Ambach’s visits to local actors. The landscape is composed of their places. Their knowledge shapes their actions. Their actions shape the places and the places form the protagonists of the landscape.
1 Gabriele Sturm, Wege zum Raum: methodologische Annäherungen an ein Basiskonzept raumbezogener Wissenschaften, Wiesbaden 2000.
2 Paul Schubert, Dokumentation Seminar „StadtWissen“, TU Dortmund, StädteBauProzesse 2022.
Renée Tribble
Stadtwissen
Wenn StadtWissen Raum produziert
Ein (iterativer) Beitrag zu Raumverständnis und Stadtforschung
„StadtWissen“ – was ist das überhaupt und welchen Anteil daran hat der planerische Blick auf Stadt? Was ist es, was manche Orte erst zu Orten werden lässt? Welches Wissen „produziert“ hier Stadt?
Im Masterseminar an der TU Dortmund im Wintersemester 2021/22 haben sich die Studierenden mit der Erhebung, Kartierung und Repräsentation von „StadtWissen“ am Beispiel des Kasseler Ostens von den Fuldaauen in Waldau bis zum Kasseler Hafen auseinandergesetzt. Ziel war es, verschiedene Wissensformen und Lesarten des untersuchten Raumes zu versammeln und zu untersuchen, wie sich diese gegenseitig informieren können, welche Darstellungsformen geeignet sind, um dieses Wissen darzustellen, welche Akteur:innen und Prozesse aktiver und nichtaktiver Teil der Stadtentwicklungen sind, und ob, wann und wie diese zusammengedacht werden können.
In Kooperation mit der Universität Kassel, Gastprofessorin Korinna Thielen, Stadtmanagement, und MAP Markus Ambach Projekte, Düsseldorf, kam es zu einer parallelen Annäherung an den Raum, die Akteur:innen und die Infrastrukturen. Da pandemiebedingt keine Exkursionen möglich waren, fanden in mehreren Austauschformaten gegenseitige Vorstellungen der unterschiedlichen disziplinären Herangehensweisen, Wissens- formen und Repräsentationsarten (Erzählungen, Kartografien, Plananalysen ...) statt, um voneinander zu lernen.
Zunächst wurde das vorhandene, zugängliche, gespeicherte, dargestellte und abrufbare Wissen zusammengetragen. Stadtplaner:innen stellten aktuelle Planungen vor und glichen sie mit dem Ist-Zustand ab. Methodisch wurde mit Darstellungsformen experimentiert, um dieses StadtWissen dar- stellen zu können. Das gesammelte Wissen sollte nicht nur auf den Raum selbst projiziert und verortet werden, sondern auch im Hinblick auf die vier Ebenen des relationalen Raummodells von Gabriele Sturm (1) – materiale Gestalt, normative Regulation, soziales Handeln und kultureller Ausdruck – eingeordnet werden. Der Versuch, dieses Wissen trennscharf in Kartenwerken darzustellen, führte die Komplexität, Überlagerungen und Mehrdeutigkeiten von StadtWissen vor Augen. Für jede Ebene sollten alle Bereiche, über die Wissen in dieser Raumebene vorlag, schwarz eingefärbt werden. Manche Karten zur normativen Regulation wurden vollständig schwarz dargestellt, „da im städtischen Kontext eigentlich jeder Quadratmeter Fläche gewissen Regeln unterstellt ist“,(2) andere waren nur vereinzelt schwarz eingefärbt, nämlich dort, wo spezielle normative Regulationen vorhanden sind. Trotz starker Unterschiede wurde so deutlich, zu welchen Orten des Betrachtungsraums viele Informationen vorhanden und welche eher unbekannt sind. Die Methode eignet sich also eher, um sich den eigenen Wissensstand über einen Raum zu vergegenwärtigen.
Es bleibt die Frage, wie lokales raumprägendes Wissen dargestellt werden kann. Wie wird dieses an Personen geknüpfte Wissen zugänglich? Und wie könnte es für alle zugleich und gleichzeitig bekannt und abrufbar sein? Denn ist es nicht dieses spezifische Wissen von Menschen, die an einem Ort wirken respektive handeln, das diesen Ort erst zu dem macht, was er ist? Am Beispiel der von Markus Ambach besuchten lokalen Akteur:innen wird dies offensichtlich. Die Landschaft setzt sich aus den Orten der Akteur:innen zusammen. Ihr Wissen prägt ihr Handeln. Ihr Handeln prägt die Orte, und die Orte bilden die Protagonisten der Landschaft.
1 Gabriele Sturm, Wege zum Raum: methodologische Annäherungen an ein Basiskonzept raumbezogener Wissenschaften, Wiesbaden 2000.
2 Paul Schubert, Dokumentation Seminar „StadtWissen“, TU Dortmund, StädteBauProzesse 2022.
Renée Tribble
Stadtwissen
When StadtWissen (Urban Knowledge) Produces Space
An (iterative) contribution to spatial understanding and urban research
StadtWissen, or urban knowledge—what even is this, and what part does the urban planning perspective on space play in it? What is it that makes some places become places to begin with? What kind of knowledge “produces” urban space here?
During a master’s seminar at TU Dortmund University during the winter semester 2021–2022, the survey, mapping, and representation of this urban knowledge was examined using the example of East Kassel, from the Fuldaaue in Waldau to Kassel’s harbor. The aim was to assemble different forms of knowledge and readings of the studied space and to investigate how these can inform each other, which presentation formats are suitable to represent this knowledge, which ac- tors and processes are active and non-active parts of urban developments, and if, when, and how these can be considered holistically.
In cooperation with the University of Kassel, visiting professor of urban management Korinna Thielen, and MAP Markus Ambach Projekte, Düsseldorf, the space, the actors within the space, and its infrastructures were approached in parallel. Since field trips were not possible, several exchange formats were used to present various disciplinary approaches, forms of knowledge, and modes of representation (narratives, cartographies, plan analyses ...) so that everyone could learn from each other.
First, the existing, accessible, stored, illustrated, and available knowledge was compiled. Current plans were presented by urban planners and compared to the status quo. Then there was methodological experimentation with presentation formats in order to be able to represent this urban knowledge. The intention was not only for the collected knowledge to be projected onto and situated within the space itself, but also to be classified according to the four levels of Gabriele Sturm’s relational model of space—material form, normative regulation, social action, and cultural expression.(1) The attempt to represent this knowledge distinctively in maps revealed the complexity, overlaps, and ambiguities of urban knowledge. For each level, all areas for which there was existing knowledge relating to that spatial level were to be colored black. Some maps on normative regulation were completely black, “since in the urban context every single square meter of space is subject to certain rules,” (2) while others only had occasional areas of black, where there were specific normative regulations. Despite stark differences, it became clear which parts of the observation area had a lot of information available and which were relatively unknown. This method is therefore more suitable for illustrating your own personal level of knowledge about a space.
The question remains, how can local space-defining knowledge be represented? How does this knowledge, which is tied to people, become accessible? And how could it be made known and available to everyone at the same time? After all, is it not this specific knowledge belonging to the people who operate and act within a place that make it what it is? This becomes clear through Markus Ambach’s visits to local actors. The landscape is composed of their places. Their knowledge shapes their actions. Their actions shape the places and the places form the protagonists of the landscape.
1 Gabriele Sturm, Wege zum Raum: methodologische Annäherungen an ein Basiskonzept raumbezogener Wissenschaften, Wiesbaden 2000.
2 Paul Schubert, Dokumentation Seminar „StadtWissen“, TU Dortmund, StädteBauProzesse 2022.
Ein Projekt von
mit Renée Tribble/TU Dortmund
und den Initiativen von Kassel Ost