Ute Brinner
Liebeserklärung
FRÜHLING Beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit meine Anfrage auf Mitarbeit bei der SOLAWI mit Ja beantwortet wurde, habe ich mir am ersten Tag mit weiteren sieben Menschen morgens früh im Sofatunnel kaffeetrinkend eine Arbeit zuteilen lassen. Und dann standen wir auf dem Acker, Beete anlegen, 19 Meter lang, 80 Zentimeter breit, die Wege 40 Zentimeter. Alles umgraben, Queckenwurzeln raus in einen Extraeimer. Umgraben, eins der angestrebten 100 Beete nach dem anderen. Mir schien das ein endloses Projekt zu sein, ohne Maschineneinsatz – wie sollten wir das schaffen? Das kam mir völlig irre vor. Aber ich hatte keine Ahnung, denn wir schafften tatsächlich zwei bis fünf Beete am Tag, je nach Besetzung.
Mittags zur Pause erschienen neue Leute, die manchmal erklärtermaßen für zwei Stunden kamen oder ein spezielles Bau- oder Blumenvorhaben umsetzen wollten. Jeder – egal mit wie viel Zeit, Erfahrung und Anliegen – wurde freundlich aufgenommen und in die arbeitenden Gruppen verteilt. Das braucht Zeit, und jeder hat seine guten persönlichen oder beruflichen Pläne, also wurde jedem ein Ohr geschenkt.
Das Wundernetzwerk von Timo und Thomas, die unsichtbare Arbeit wurde jetzt sichtbar. Pflänzchen waren im Gewächshaus vorgezogen worden, die gesammelten Plastiktöpfe einer Gärtnerei in Nordhausen wurden zu Erdbeer-, Zucchini-, Paprika-, Tomaten- oder Kräuterpflanztöpfen, Menschen mit Know-how aus unterschiedlichsten Bereichen kamen vorbei, Wasser- sprinkler wurden hergeschenkt, Schafmist und -wolle geliefert, Bau des Unterstands organisiert, Wasserleitungen verlegt, ein Erdloch gegraben zur Lagerung vom Kohl, der neue Tunnel mit Plane bezogen – und wieder Kompostlieferungen, Saatgut, Pflanzerde, Biokontrolle ... So nach und nach wurde mir klar, wie viel Vorarbeit in den letzten zwei Jahren und besonders in den vergangenen Monaten geleistet worden war, wie groß das Netzwerk ist, wie viel Zeit für Gespräche, Austausch, Verhandlungen und Absprachen schon investiert worden war und wie viel noch gebraucht würde. Und während ich nach Feierabend nach Hause ging – kaputt von den unzähligen Schubkarren Kompost, die ich herumgekarrt hatte, aber glücklich –, gab es mit Sicherheit neben der Arbeit auch noch jede Menge Inhalte zu besprechen und Arbeitseinsätze zu koordinieren.
SOMMER Es wurde immer wärmer und die ersten vor- gezogenen Pflänzchen konnten raus in die Beete. Ein echtes Erlebnis, unsere schiefen Pflanzreihen ... und ... wie viele Quickpots Kohlpflänzchen passen eigentlich in ein Beet? Wie tief werden die Pflanzen gesetzt? Die vielen völlig ungelernten Gärtner:innen mussten eingewiesen werden, was wie zu tun sein würde. Jede Frage wurde geduldig beantwortet; nach der Einweisung standen wir dann da und haben alles so richtig wie möglich umgesetzt. Gleichzeitig wurden noch Hunderte von Pflanzen getopft: Tomaten, Paprika, Kräuter und Erdbeeren, ein Verkaufsstand gebaut, Aussaatplanung umgesetzt, der Kräutergarten angelegt, der neue Tunnel für die Tomaten vorbereitet, indem wir unzählige Bänder anknoteten, an denen die Tomaten hochwachsen sollten.
Ja, und dann die erste Kiste im Mai, da hatten wir viel Salat, Kräuter und Radieschen, und ab da haben wir dann jede Woche 40 Kisten gepackt. Da muss zuerst ordentlich was wachsen, und das dauert eben.
HERBST Bis zum Winter gab es noch viel zu schaffen. Ein Geräteschuppenbüro wurde nötig, Planung und Materialbeschaffung möglichst durch Upcycling, Schweißworkshop organisieren, Packtunnel bauen, die schlammige Zufahrt befestigen. Die Personaldecke schrumpfte wetterbedingt, der viele schwere Schnee zerriss die alten Folien der Tunnel, Arbeit und Investitionen mussten priorisiert werden. Und manchmal gab es Verwirrung auf allen Seiten, aber ohne schwerwiegende Katastrophen aus meiner Sicht, höchstens führte das zu einem Mangel an Effektivität. Gefühlt wurden tagelang Planungen angestellt, verworfen oder geändert, Entscheidungen getroffen. Die Stimmung war gut, Lösungen wurden gefunden, manche haben ein halbes Jahr überdauert, andere funktionieren bis heute.
WINTER Bei meinen nun wöchentlichen Arbeitsbesuchen war der Acker jedes Mal verändert. Bäume wurden gepflanzt, Wege mit Holzschnitzeln begehbar gemacht, Schilder angebracht, neue Kisten gekauft, das Kühlhaus aufgestellt, Löcher gegraben und wieder zugeschüttet, Bauten fertiggestellt, Bäume versetzt, Blumen gepflanzt. Und weitergeplant, über zusätzliche Flächen und Gewächshäuser nachgedacht, neue Mitarbeiter:innen gesucht, Beete abgeerntet und schon wieder neu bepflanzt – und Woche für Woche Gemüsekisten gefüllt.
WACHSEN Jetzt quasi schon im dritten Jahr hat sich einiges weiterentwickelt, die Mitarbeiter:innen sind konstant, die Zufahrtsstraße ist befestigt, die Strukturen der Zusammenarbeit werden gemeinsam erarbeitet, die viele Arbeit wird zusammen koordiniert, Rundbriefe an die Mitglieder werden verfasst, zusätzliche Flächen und Häuser wurden gepachtet. Die Aufgabenbereiche sind groß und vielfältig und die Netzwerke werden stetig erweitert.
So einen Betrieb aufzubauen und mit so viel Offenheit und Transparenz zu führen, das bewundere ich sehr, und ich bin gerne ein aktives Mitglied der SOLAWI I-Gärtnerei Fuldaaue. Nach wie vor ist der Acker ein Ort, an dem mir viele tolle Menschen begegnet sind und begegnen und an dem mit viel Hingabe, Freude und Idealismus Gemüse angebaut wird. Dieses konkrete Tun in einer wertschätzenden Gemeinschaft macht Spaß und wird für manche Mitglieder am Mitarbeitstag erfahrbar.
KISTEN Es werden wöchentlich 140 Kisten gepackt für alle Mitglieder, ohne die dieses Gemüse hier so gar nicht wachsen würde. Ihr Interesse an der Idee der solidarischen, regionalen, biologischen Gemüseversorgung und ihre wohlwollenden Blicke in die Kiste, besonders im Frühjahr, wenn das Festgemüse zu Ende geht und der Salat und Kohlrabi noch zu klein sind, um geerntet zu werden, sind von existenzieller Bedeutung.
Diese SOLAWI ist eine Form der Gemüseversorgung, die über den reinen Warenverkauf hinausgeht. Es geht um so viel mehr – um Ökologie, Regionalität, Saisonalität, Solidarität, Wissensvermittlung, Kreisläufe, Klima, schlussendlich auch um Arbeitsplätze und Mindestlöhne sowie um einen Beitrag für sinnvolle nachhaltige Produktion.
Ute Brinner
Loveletter
SPRING Impressed by how readily SOLAWI (a community-supported agriculture group) said yes to my request to work with them, I had a job assigned to me early in the morning of my first day, together with seven other people, as we were in the sofa tunnel, drinking coffee. And then we were out in the field, laying out beds that were 19 m long, 80 cm wide, with paths of 40 cm. Digging everything over, pulling out couch grass roots and putting them into an extra bucket. Digging over one bed after another to reach our target of one hundred beds. It seemed like an endless project; how were we going to do it without using machines? It felt completely absurd to me. But I didn’t know anything: we actually managed two to five beds a day, depending on the lineup.
During the lunch break, new people appeared, sometimes declaring they had come for two hours or that they wanted to work on some special construction or floral project. Everyone—no matter how much time or experience they had, or their objectives—received a friendly welcome and was allocated to a working group. That took time: each person had their own personal or professional goals, so everyone got to have their say.
Thanks to Timo and Thomas’ network of miracles, invisible work now became visible. Young plants had been nurtured in the greenhouse, the collection of plastic pots from a nursery in Nordhausen became pots of strawberry, zucchini, bell pepper, tomato, and herb plants, people with know-how from a wide range of areas came by, water sprinklers were donated, sheep manure and wool were delivered, we organized the construction of the shelter, laid water pipes, dug a hole in the ground for storing cabbage, covered the new tunnel with tarpaulin, and then there were more deliveries of compost, seeds, potting compost, organic inspections ... Little by little I realized how much preparatory work had been done in the last two years and in the last few months, how large the network was, how much time had already been spent talking, exchanging ideas, negotiating, and making agreements, and how much time would still be needed. And while I went home after work, exhausted from countless wheelbarrows of compost but happy, there were certainly a lot of things to discuss and volunteering sessions to coordinate in addition to the work itself.
SUMMER It was getting warmer and warmer and the first seedlings were ready for planting out in the beds. A real experience with our crooked plant rows ... and ... how many Quick- pots of cabbage plants actually fit in one bed? How deep are the seedlings planted? There were many completely unskilled gardeners who had to be told what to do and how to do it. Every question was answered patiently; after receiving our instructions we stood there and tried to do everything as correctly as possible. At the same time hundreds of plants were being potted: tomatoes, peppers, herbs and strawberries, we built a sales stand, implemented sowing plans, laid out the herb garden, prepared the new tunnel for the tomatoes by tying hundreds of ribbons to it to help the tomato plants grow upwards.
Yes, and then the first box was in May. We had a lot of lettuces and herbs, as well as radishes, and from then on we packed forty boxes every week—things have to grow properly and that takes time.
FALL There was still a lot to get done before winter. A tool shed office became necessary, we upcycled planning and sourcing materials as much as possible, we had to organize a welding workshop, build packing tunnels, pave the muddy access road, the staffing level dwindled due to the weather, the frequent heavy snowfall tore the old plastic on the tunnels, work and investments had to be prioritized and sometimes confusion arose on all sides, but without any serious disasters from my point of view—at most a lack of efficiency. It felt like we spent days making, discarding, or changing plans, arriving at decisions. The mood was good, and we found solutions: some lasted half a year, others are still functional today.
WINTER During my now weekly working visits, the field was different every time. We planted trees, covered paths with wood chips so that you could walk on them, put up signs, pur- chased new boxes, erected the cold storage, dug holes and filled them again, completed structures, moved trees, planted flowers, and planned for more, we thought about additional areas and greenhouses, looked for new workers, harvested and replanted beds, and continued to fill vegetable boxes week after week.
GROWING Now almost in its third year, things have developed further, the staff are consistent, the access road is paved, the cooperative structures have been developed together, the work is coordinated together, we write newsletters to members, and the additional areas and houses have been leased. There is a large and varied range of duties and our networks are constantly being expanded.
To build up such a business and to lead it with so much openness and transparency is something I greatly admire and I am glad to be an active member of the SOLAWI Gärtnerei Fuldaaue (SOLAWI Nursery Fuldaaue). Just like before, the field is a place where I have met and continue to meet many great people and where vegetables are grown with great dedication, joy, and idealism. This tangible activity in an appreciative community is fun and can be experienced by many members on the volunteer day.
BOXES Every week we pack 140 boxes for all the members, without whom these vegetables would not be able to grow here. Their interest in the idea of a community-supported, regional, and organic vegetable supplier, and their benevolent glances into the boxes—especially in spring when the seasonal winter vegetables are coming to an end and the lettuces and kohlrabi are still too small to be harvested—are vital.
This SOLAWI is a kind of vegetable supplier that goes beyond merely selling produce. It is about so much more, about ecol- ogy, regionality, seasonality, solidarity, knowledge transfer, cycles, climate—but ultimately it is also about jobs, minimum wages, and a contribution toward meaningful sustainable production.
Ein Projekt von
mit Renée Tribble/TU Dortmund
und den Initiativen von Kassel Ost