KGV Schwanenwiese
SCHREBER RELOADED Der Kleingartenverein Schwanenwiese ist eine klassische Anlage, wie sie auch oft mit dem Begriff „Schrebergarten“ in Verbindung gebracht wird. Zahllose Parzellen mit geregelter Nutz- und Freizeitfläche werden hier im nährstoffreichen Überschwemmungsland der Fuldaaue angeboten. Auch wenn der Gartenverein eher traditionell mit Schwanenlogo und Vereinssatzung wirbt, tut sich auch hier so einiges in Richtung Zukunft. Jutta, die seit einigen Jahren die erste Vereinsvorsitzende ist, versucht den Verein zu reformieren. Sie erzählt vom alten Patriarchen, der Jahrzehntelang den Vorsitz innehatte und eher durch ein rigides Regiment denn durch progressive Offenheit die Geschicke des Traditionsvereins lenkte. Ohne eine dringend nötige Anpassung ans Jetzt erwartet den Verein nun allerdings das Aus.
GLOBAL GARDENING Jutta Schenk versucht so, gerade die jüngeren Menschen für den Garten und diese traditionelle Form der selbstständigen Lebensmittelproduktion zu begeistern. Gerade die vielen Mitglieder mit migrantischem Hintergrund helfen ihr dabei, ein neues Verständnis vom Garten mit den alten Regeln zu paaren. Afghanische und türkische Familien, aber auch Menschen mit asiatischem Kulturhintergrund nutzen von Hause aus Gärten traditionell zur Gemüsezucht und gesunden Ernährung und kümmern sich rührend um ihre Parzellen. Dagegen verwechselt mancher von hier den Garten mit einem Freizeitgrundstück und stellt nur das Trampolin oder die Hüpfburg auf. Das wird allerdings weiterhin nicht geduldet. Die Skepsis gegenüber körperlicher Arbeit ist hier auch unangebracht, wo jeder weiß, dass man sich bei der Gartenarbeit nicht nur die Hände schmutzig macht.
GÄRTNERN BY DOING Denn das Gärtnern ist nicht nur weiterhin mit Bodenkontakt im physischen und geistigen Sinne verbunden. Es ist eine klassische Praxis, bei der die lokale Weitergabe von Wissen ganz bodenständig jenseits intellektueller Diskurse seit Langem praktiziert wird. Gärtnern lernt man vornehmlich vom Nachbarn. Das Fachsimpeln am Gartenzaun oder der Austausch profunden Halbwissens reicht durchaus aus, um erstaunliche Ergebnisse in der Aufzucht von Gemüse und Blühpflanzen zu erzielen. Doch alleine das Wissen reicht nicht. Die lokalen Eigenarten des Bodens, des Klimas und der spezifischen Vegetation sind genauso wichtig wie die Hilfe der Nachbarn, wenn man mal in Urlaub fährt. So sammelt sich in einer Gartenanlage über die Generationen hinweg ein Wissen, das sowohl zutiefst lokal ist, sich aber durch die gemischte Gemeinschaft des KGV international vernetzt, vermischt und zahlreiche unscheinbare wie wunderbare global-lokale Ideen hervorbringt, die der KGV bei verschiedenen Festen am internationalen Herd auch kulinarisch erfahrbar macht. Was der großen Politik nur schwerlich gelingt, findet hier unter dem wohlwollenden Auge von Jutta in sanfter Selbstkontrolle automatisch statt. Denn in der „vernakulären Landschaft“, wie sie John Brinckerhoff-Jackson einmal nannte, ist man darauf angewiesen, die durchaus internationalen Verhältnisse stets neu und selbst auszuhandeln und den kategorischen Imperativ selbst in Unkenntnis dessen umzusetzen.
MUSEUM Die Geschichte eines solchen Ortes in einem kleinen Museum zu erzählen, schein folgerichtig, ist doch das Museum jener Ort, an dem der westeuropäische Mensch seine Kulturgeschichte seit jeher erzählt. Dass das Museum schon da war entspricht dabei der von mir schon lange vertretenen Meinung, dass immer alles schon da ist, nur meist nicht gesehen wird. So fand sich im gelben Häuschen gleich am Eingang des Vereins, das ich mir als musealen Raum vorstellen konnte, bereits eine profunde Sammlung verschiedenster Artefakte vor, die Gärtnerin Inge dort einmal zusammengetragen hatte. Die Eröffnung ihres Museums musste dann allerdings wegen altersbedingter Gebrechen auf unbestimmte Zeit verschoben werden und kann für sie ganz unverhofft nun im Rahmen der documenta fifteen nachgeholt werden.
KGV Schwanenwiese
SCHREBER RELOADED The Schwanenwiese Kleingartenverein (KGV) is a classic example of allotment or community gardens. Numerous plots with regulated functional and recreational space are available here in the nutrient-rich Fuldaaue floodplain. Although the signs advertising the Kleingartenverein may be rather traditional, with a swan logo and the statutes of the association, there are also some things happening here that are headed in the direction of the future. Jutta, who was the first female chair of the association and has occupied the post for several years, is trying to reform the association. She talks about the old patriarch who chaired the association for decades and controlled the fate of the traditional association with rigid governance rather than progressive openness. Without an urgently needed adaptation to the present, however, the association will now face extinction.
GLOBAL GARDENING That is why Jutta Schenk is trying to get younger people in particular interested in the gardens and this traditional form of independent food production. There are many members with a migration background who are especially helpful in helping her to her to pair a new understanding of the garden with the old rules. Afghan and Turkish families, as well as those with Asian cultural backgrounds, traditionally use gardens for growing vegetables and as a source of healthy nutrition; the way they take care of their plots is really touching. On the other hand, some locals confuse the gardens with a recreational plot of land and just put up a trampoline or a bouncy castle. This is absolutely still not tolerated. Any skepticism about physical labor is also misplaced, because everyone here knows that gardening doesn’t just get your hands dirty.
GARDENING BY DOING or gardening not only continues to involve contact with the soil in both the physical and spiritual sense; it is a classic practice in which the local transmission of knowledge has long been performed in a way that is grounded beyond intellectual discourse. Gardening is primarily learned from your neighbors. Talking shop at the garden fence or exchanging profound amateur knowledge is quite enough to achieve amazing results in the cultivation of vegetables and flowering plants. Because knowledge alone is not sufficient: the local characteristics of the soil, climate and specific vegetation are just as important as your neighbors’ help when you go on vacation. In this way, the knowledge that accumulates in an allotment garden over the generations is profoundly local, but through the diverse KGV community, it also networks and mixes internationally and produces numerous unassuming yet wonderful global-local ideas, which the KGV also makes tangible on a culinary level by preparing international dishes for various festivals. What big politics can only manage with difficulty takes place here automatically with gentle self-regulation under Jutta’s benevolent eye. For in the “vernacular landscape,” as John Brinckerhoff-Jackson once called it, you have to constantly and personally renegotiate these thoroughly international relationships, and implement the categorical imperative even when you are unaware of it.
MUSEUM It seems logical to tell the story of such a place in a small museum, since the museum is the location where Western Europeans have always chronicled their cultural history. The fact that the museum was already there corresponds to the opinion I have long held that everything is always already there; you just can’t usually see it. In the small yellow house at the entrance to the gardens, which I could imagine as a museum space, there was already a profound collection of the most diverse artifacts, which Inge had once gathered together there. However, the opening of her museum had to be postponed indefinitely due to age-related infirmities, but—much to her surprise—this can now be rectified within the context of documenta fifteen.
KGV Schwanenwiese
SCHREBER RELOADED Der Kleingartenverein Schwanenwiese ist eine klassische Anlage, wie sie auch oft mit dem Begriff „Schrebergarten“ in Verbindung gebracht wird. Zahllose Parzellen mit geregelter Nutz- und Freizeitfläche werden hier im nährstoffreichen Überschwemmungsland der Fuldaaue angeboten. Auch wenn der Gartenverein eher traditionell mit Schwanenlogo und Vereinssatzung wirbt, tut sich auch hier so einiges in Richtung Zukunft. Jutta, die seit einigen Jahren die erste Vereinsvorsitzende ist, versucht den Verein zu reformieren. Sie erzählt vom alten Patriarchen, der Jahrzehntelang den Vorsitz innehatte und eher durch ein rigides Regiment denn durch progressive Offenheit die Geschicke des Traditionsvereins lenkte. Ohne eine dringend nötige Anpassung ans Jetzt erwartet den Verein nun allerdings das Aus.
GLOBAL GARDENING Jutta Schenk versucht so, gerade die jüngeren Menschen für den Garten und diese traditionelle Form der selbstständigen Lebensmittelproduktion zu begeistern. Gerade die vielen Mitglieder mit migrantischem Hintergrund helfen ihr dabei, ein neues Verständnis vom Garten mit den alten Regeln zu paaren. Afghanische und türkische Familien, aber auch Menschen mit asiatischem Kulturhintergrund nutzen von Hause aus Gärten traditionell zur Gemüsezucht und gesunden Ernährung und kümmern sich rührend um ihre Parzellen. Dagegen verwechselt mancher von hier den Garten mit einem Freizeitgrundstück und stellt nur das Trampolin oder die Hüpfburg auf. Das wird allerdings weiterhin nicht geduldet. Die Skepsis gegenüber körperlicher Arbeit ist hier auch unangebracht, wo jeder weiß, dass man sich bei der Gartenarbeit nicht nur die Hände schmutzig macht.
GÄRTNERN BY DOING Denn das Gärtnern ist nicht nur weiterhin mit Bodenkontakt im physischen und geistigen Sinne verbunden. Es ist eine klassische Praxis, bei der die lokale Weitergabe von Wissen ganz bodenständig jenseits intellektueller Diskurse seit Langem praktiziert wird. Gärtnern lernt man vornehmlich vom Nachbarn. Das Fachsimpeln am Gartenzaun oder der Austausch profunden Halbwissens reicht durchaus aus, um erstaunliche Ergebnisse in der Aufzucht von Gemüse und Blühpflanzen zu erzielen. Doch alleine das Wissen reicht nicht. Die lokalen Eigenarten des Bodens, des Klimas und der spezifischen Vegetation sind genauso wichtig wie die Hilfe der Nachbarn, wenn man mal in Urlaub fährt. So sammelt sich in einer Gartenanlage über die Generationen hinweg ein Wissen, das sowohl zutiefst lokal ist, sich aber durch die gemischte Gemeinschaft des KGV international vernetzt, vermischt und zahlreiche unscheinbare wie wunderbare global-lokale Ideen hervorbringt, die der KGV bei verschiedenen Festen am internationalen Herd auch kulinarisch erfahrbar macht. Was der großen Politik nur schwerlich gelingt, findet hier unter dem wohlwollenden Auge von Jutta in sanfter Selbstkontrolle automatisch statt. Denn in der „vernakulären Landschaft“, wie sie John Brinckerhoff-Jackson einmal nannte, ist man darauf angewiesen, die durchaus internationalen Verhältnisse stets neu und selbst auszuhandeln und den kategorischen Imperativ selbst in Unkenntnis dessen umzusetzen.
MUSEUM Die Geschichte eines solchen Ortes in einem kleinen Museum zu erzählen, schein folgerichtig, ist doch das Museum jener Ort, an dem der westeuropäische Mensch seine Kulturgeschichte seit jeher erzählt. Dass das Museum schon da war entspricht dabei der von mir schon lange vertretenen Meinung, dass immer alles schon da ist, nur meist nicht gesehen wird. So fand sich im gelben Häuschen gleich am Eingang des Vereins, das ich mir als musealen Raum vorstellen konnte, bereits eine profunde Sammlung verschiedenster Artefakte vor, die Gärtnerin Inge dort einmal zusammengetragen hatte. Die Eröffnung ihres Museums musste dann allerdings wegen altersbedingter Gebrechen auf unbestimmte Zeit verschoben werden und kann für sie ganz unverhofft nun im Rahmen der documenta fifteen nachgeholt werden.
KGV Schwanenwiese
SCHREBER RELOADED The Schwanenwiese Kleingartenverein (KGV) is a classic example of allotment or community gardens. Numerous plots with regulated functional and recreational space are available here in the nutrient-rich Fuldaaue floodplain. Although the signs advertising the Kleingartenverein may be rather traditional, with a swan logo and the statutes of the association, there are also some things happening here that are headed in the direction of the future. Jutta, who was the first female chair of the association and has occupied the post for several years, is trying to reform the association. She talks about the old patriarch who chaired the association for decades and controlled the fate of the traditional association with rigid governance rather than progressive openness. Without an urgently needed adaptation to the present, however, the association will now face extinction.
GLOBAL GARDENING That is why Jutta Schenk is trying to get younger people in particular interested in the gardens and this traditional form of independent food production. There are many members with a migration background who are especially helpful in helping her to her to pair a new understanding of the garden with the old rules. Afghan and Turkish families, as well as those with Asian cultural backgrounds, traditionally use gardens for growing vegetables and as a source of healthy nutrition; the way they take care of their plots is really touching. On the other hand, some locals confuse the gardens with a recreational plot of land and just put up a trampoline or a bouncy castle. This is absolutely still not tolerated. Any skepticism about physical labor is also misplaced, because everyone here knows that gardening doesn’t just get your hands dirty.
GARDENING BY DOING or gardening not only continues to involve contact with the soil in both the physical and spiritual sense; it is a classic practice in which the local transmission of knowledge has long been performed in a way that is grounded beyond intellectual discourse. Gardening is primarily learned from your neighbors. Talking shop at the garden fence or exchanging profound amateur knowledge is quite enough to achieve amazing results in the cultivation of vegetables and flowering plants. Because knowledge alone is not sufficient: the local characteristics of the soil, climate and specific vegetation are just as important as your neighbors’ help when you go on vacation. In this way, the knowledge that accumulates in an allotment garden over the generations is profoundly local, but through the diverse KGV community, it also networks and mixes internationally and produces numerous unassuming yet wonderful global-local ideas, which the KGV also makes tangible on a culinary level by preparing international dishes for various festivals. What big politics can only manage with difficulty takes place here automatically with gentle self-regulation under Jutta’s benevolent eye. For in the “vernacular landscape,” as John Brinckerhoff-Jackson once called it, you have to constantly and personally renegotiate these thoroughly international relationships, and implement the categorical imperative even when you are unaware of it.
MUSEUM It seems logical to tell the story of such a place in a small museum, since the museum is the location where Western Europeans have always chronicled their cultural history. The fact that the museum was already there corresponds to the opinion I have long held that everything is always already there; you just can’t usually see it. In the small yellow house at the entrance to the gardens, which I could imagine as a museum space, there was already a profound collection of the most diverse artifacts, which Inge had once gathered together there. However, the opening of her museum had to be postponed indefinitely due to age-related infirmities, but—much to her surprise—this can now be rectified within the context of documenta fifteen.
Ein Projekt von
mit Renée Tribble/TU Dortmund
und den Initiativen von Kassel Ost