Al Wali
Automeile
FEINSCHMECKER Gleich neben der KFZ-Zulassungsstelle findet sich ein Imbiss, der sich bei näherer Betrachtung und erster Degustation eher als Feinschmeckerinsel im harten Ambiente der Autohändler zeigt. Der Name „Al Wali“ weist – wie auch die vielen Spezialitäten, die schon vor der Durchreiche angeboten werden – auf den syrischen Ursprung des Koches und Besitzers hin. Mazen Nouruldeen verkauft hier Produkte wie Granatapfelmelasse, eingelegte Auberginen oder spezielle Kräutermischungen aus seiner Heimat, die zum Teil von seiner Familie produziert werden. Dass es sich nicht um einen normalen Imbiss handelt, wird selbst dem Unkundigen spätestens dann klar, wenn sich die Scheibe öffnet und der Koch einem meist unvermittelt ein Häppchen zum Probieren herüberreicht. Auch wenn ein Gast auf den vermeintlich bekannten Döner am Drehspieß zurückgreift, wird er mit Schawarma statt Kebab verwöhnt, das aus magerem Hähnchen, Zitronenscheiben und exotischen Gewürzen komponiert ist.
IDLIB Mazen ist Koch aus Leidenschaft. Schon als Kind begann er, mit den Utensilien aus Mutters Küche Kulinarisches zu zaubern. Die Mutter kochte die Rezepte ihres Jungen verwundert nach. Fortan war Kochen seine Leidenschaft. Auch seinen Vater, der anderes für ihn vorgesehen hatte, überzeugte er mit dem innigen Wunsch Koch zu werden. Kurz nachdem Mazen sein Restaurant in Idlib eröffnet hatte, brach der Syrienkrieg aus. Seine Frau Salma sagt heute: „Wir haben alle friedlich zusammengelebt – alle Religionen, alle Ethnien. Syrien war ein Ort der Nachbarschaft und Freundschaft über die Konfessionen hinweg. Der Krieg hat alle zu Feinden gemacht. Menschen, die früher befreundet waren, sahen sich nun mit Argwohn und Befremden.“ Der immer gut gelaunte Mazen wird traurig, wenn er von seinem Restaurant erzählt:
„Eines Morgens war ich wie immer da, um eine Fleischlieferung anzunehmen, jedoch kam sie nicht. Ich sprach noch mit meiner Nachbarin und beschloss, das Restaurant geschlossen zu lassen und meine Mitarbeiter nach Hause zu schicken. Als ich nur zehn Minuten später zu Hause ankam, erfuhr ich per Telefon, dass mein Restaurant von einer Rakete getroffen worden war. Nichts war mehr da, meine Nachbarin tot.“ Er zeichnet das Symbol für Allah in die Luft und sagt mit einem Lächeln: „Ich habe gedankt, dass ich am Leben war, und bin zu meiner Frau aufs Land gefahren. Kaum war ich weg, traf eine Bombe meine Wohnung in Idlib. Ich hatte nichts mehr, noch nicht einmal ein Foto von meinem Restaurant. Da bin ich nach Deutschland gegangen und habe meine Familie nachgeholt.“
LIEBE Mazen liebt Kassel. Salma erzählt, wie sie nach London, Hamburg und Paris gereist sind, um eine neue Heimat für sich zu finden. Bei der Rückkehr glänzten Mazens Augen jedes Mal am Kasselaner Stadtschild. „Ich liebe Kassel, ich möchte nirgendwo anders sein“, sagt er heute noch und unterstreicht diese Aussage glaubwürdig mit seinem gewinnenden Lachen.
Mazen mag sein kleines Reich an der KFZ-Zulassungsstelle. Eigentlich möchte er sich nicht vergrößern, auch nicht zur documenta fifteen. Er scheint zufrieden, mit dem was er hat. Ich glaube, es ist einfach der Frieden, den er genießt, und die kleine Kasselaner Community, in der er, Salma und seine Jungs prima angekommen scheinen. Vielleicht sollte sich der ein oder andere in Zeiten bewaffneter Konflikte hier einmal live und vor Ort informieren, was Krieg wirklich bedeutet und ob Waffen, der Nationalstaat oder die Feindschaft, die er in die Völker trägt, zum Frieden führen können. Ich denke: Waffen töten, sonst nichts.
Das Syrisch-Kasselaner Wissensgemisch, das sich hier bildet, ist einfach und schmackhaft. „Syrer mögen trockene Fleischgerichte – Deutsche gar nicht. Deshalb gebe ich etwas gehaltvolleres Fleisch mit ins Schawarma und zwischen die Lagen am Drehspieß ganze Zitronenscheiben. Dazu gibt es nach Wunsch syrische Soßen, Pasten und Salate.“ Mazen beliefert mit all den farbenprächtigen, mit Safran und Co. gefärbten Dips und Pasten auch große Gesellschaften. Und einmal in der Woche gibt es gegrillte Dorade an der Automeile gleich vor den Schrottplätzen und Import-Export-Händlern.
DOCUMENTA DISH Zum Projekt Eine Landschaft bieten wir gemeinsam ein documenta dish an. Zatar ist ein Gewürz und eine Speise, die seine Mutter Mazen mit auf den Schulweg gab. „Die Kräuter und Gewürze schärfen Aufmerksamkeit, Verstand und Intelligenz.“ Das Rezept ist einfach, aber trotzdem nicht leicht nachzuahmen. Denn Mazen kauft seine Kräuter lokal, ganz nach Qualität, an verschiedenen Orten, bestimmt deren Mischung und verarbeitet sie selbst mit dem Messer zur pas- senden Textur, die den Geschmack maßgeblich mitbestimmt. Zudem hat jeder seine eigene Mischung, die Zatar zu einem personalisierten Geschmackserlebnis macht. Auf dünnes Fladenbrot mit bestem Olivenöl und ein wenig frischem Salat gegeben, wird das kurz getoastete Röllchen zu einer kleinen Geschmacksexplosion der documenta hier im Niemandsland an der Leipziger Straße in Kassel Ost.
LEARNING FROM AL WALI Was man von Mazen lernen kann, ist sicher schwer zu vermitteln und wie viel lokales Wissen eher erleb- denn erlernbar. Das „being there in space and time“ ist ohnehin eine Grundbedingung bei dessen Rezeption. Meine Besuche bei ihm über die anderthalb Jahre, die ich nun nach Kassel Ost gekommen bin, waren geprägt von seiner Passion für das Kochen, die wiederum zeigt, dass Essen viel mehr eine komplexe soziale wie auch ästhetische Interaktion ist denn reine Nahrungsaufnahme.
Zu Mazens Praxis gehört für mich dabei der Plausch mit den Nachbar:innen genauso wie die Völkerverständigung, die sich ganz ungeplant bei der zwanglosen Weitergabe seines komplexen Wissens von selbst einstellt. Dass die große Lebenslust, die er trotz seines dramatischen Lebenslaufs mit seinem breiten Lächeln, das das Leben umarmt, immer vermittelt, eine ganz besondere Gabe des Kochs aus Idlib ist, lässt fast vergessen, was der unscheinbare Kulturaustausch hier an seiner kleinen Theke tagtäglich leistet. Um dies augenscheinlich zu machen, geben wir Mazen ein Zeichen der Sichtbarkeit, das hier an der großen Ausfallstraße auf den legendären Text Learning from Las Vegas von Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour verweist, in dem die drei der Meinung sind, dass Häuser, die außen schon zeigen, was in ihnen steckt, schon fast in Ordnung sind. So landet zur documenta fifteen vielleicht ein überdimensionales Falafel auf Mazens Haus, der der geschmacklich durchweg überzeugenden Meinung ist, seines sei das Beste der Welt. Viel Spaß also beim Probieren!
Al Wali
Automeile
GOURMET Right next to the vehicle registration office is a snack bar that, upon closer inspection and the first taste of its food, reveals itself to be a gourmet oasis in this desert of car dealerships. The name “Al Wali,” like the many specialties on offer before you even reach the hatch, points to the Syrian origins of the chef and owner. Mazen Nouruldeen sells products here such as pomegranate molasses, pickled eggplants, and special blends of herbs from his homeland, some of which are produced by his family. Even the uninitiated will realize that this is not a normal snack bar as soon as the window opens and the chef unexpectedly hands over a morsel to try. Even if a diner falls back on the supposedly familiar döner on a spit, he is treated to a shawarma instead of a kebab, which is com- posed of lean chicken, slices of lemon, and exotic spices.
IDLIB Mazen is a passionate cook. As a child, he began to conjure up culinary delights with utensils from his mother’s kitchen, who followed her son’s recipes with amazement. From then on, cooking was his passion. He even won over his father, who had other plans for him, with his heartfelt desire to become a chef. He opened a restaurant in Idlib, but war broke out in Syria a short time later. Salma, his wife, says today: “We all lived together peacefully—all religions, all ethnicities. Syria was a place of neighborliness and friendship across denominations. The war turned everyone into enemies. People who used to be friends were now viewing each other with suspicion and alienation.” Mazen, who is always cheerful, becomes sad when he talks about his restaurant: “One morning I was there as usual to accept a delivery of meat, but it didn’t come. I went and spoke to my neighbor and decided to keep the restaurant closed and send my staff home. When I arrived home only ten minutes later, somebody called to say that my restaurant had been hit by a missile. There was nothing left, my neighbor was dead.” He draws the symbol for Allah in the air and says with a smile, “I gave thanks that I was alive and went to see my wife in the countryside. As soon as I left, a bomb hit my apartment in Idlib. I had nothing left, not even a photo of my restaurant. So I went to Germany and got my family to join me.”
LOVE Mazen loves Kassel. Salma explains how they traveled to London, Hamburg, and Paris to find a new home for themselves. When they returned, Mazen’s eyes lit up every time he saw the Kassel city sign. Even today he says, “I love Kassel, I wouldn’t want to be anywhere else,” convincingly reinforcing this with his endearing laugh.
Mazen is fond of his small empire at the vehicle registration office. In fact, he does not want to expand, not even for documenta fifteen. He seems content with what he has. I think it’s simply the peace he enjoys and the small Kassel community that he, Salma, and his boys seem to have reached in good shape. Perhaps, in times of armed conflict, people should come here to find out first-hand what war really means, and whether weapons, the idea of the nation state, or the hostility it breeds in people can lead to peace. I think: weapons kill, that’s all.
The mix of knowledge from Syria and Kassel that is being cultivated here is simple and tasty. “Syrians like dry meat dishes—Germans don’t at all. That’s why I add some richer meat to the shawarma and whole lemon slices between the layers on the rotating skewer. It comes with a choice of Syrian sauces, pastes and salads.” Mazen also supplies large companies with a technicolor range of dips and pastes dyed with saffron and the like. And once a week, there’s grilled bream on the car mile, right in front of the junkyards and the import/export dealers.
DOCUMENTA DISH For the project Eine Landschaft (A Land- scape) we are jointly presenting a documenta dish. Za’atar is a spice and a dish that Mazen’s mother used to make for him to take on the journey to school. “The herbs and spices sharpen your attention, mind, and intelligence.” This simple recipe is not easy to imitate, however. That’s because Mazen buys his herbs locally at different locations, entirely according to quality, determines the correct mixture, and chops them himself until they reach the appropriate texture, which plays a major role in determining the taste. Furthermore, everyone has their own blend, which makes za’atar a personalized taste experience. Served on a thin flatbread with the best olive oil and a little fresh salad, this lightly toasted roll becomes a little documenta taste sensation here in the no-man’s-land of Leipziger Strasse in East Kassel.
LEARNING FROM AL WALI It is certainly difficult to convey what you can learn from Mazen, and like much local knowledge, it is experienced rather than learned. In any event, “being there in space and time” is a basic condition for its reception. My visits to him over the past year and a half that I have now been coming to East Kassel have been shaped by his passion for cooking, which in turn shows that eating is a much more complex social and aesthetic interaction than purely consuming food.
For me, Mazen’s practice includes chatting with his neighbors as well as intercultural understanding, which comes about quite unintentionally when he informally passes on his complex knowledge. Despite his dramatic life to date, this cook from Idlib has a great zest for life, conveyed by his permanently big, life-embracing smile: this is such a special gift that it almost makes you forget what this inconspicuous cultural exchange achieves here at his little counter every single day. To make this more apparent, we have given Mazen a sign to increase his visibility on this major arterial road; it references the legendary text Learning from Las Vegas by Robert Venturi, Denise Scott Brown and Steven Izenour, who think, that houses that already show on the outside what they are, are almost okay. That is why, for documenta fifteen, an oversized falafel has landed on Mazen’s building, who is of the thoroughly convincing opinion that his is the best in the world. We hope you enjoy trying it!
Al Wali
Automeile
FEINSCHMECKER Gleich neben der KFZ-Zulassungsstelle findet sich ein Imbiss, der sich bei näherer Betrachtung und erster Degustation eher als Feinschmeckerinsel im harten Ambiente der Autohändler zeigt. Der Name „Al Wali“ weist – wie auch die vielen Spezialitäten, die schon vor der Durchreiche angeboten werden – auf den syrischen Ursprung des Koches und Besitzers hin. Mazen Nouruldeen verkauft hier Produkte wie Granatapfelmelasse, eingelegte Auberginen oder spezielle Kräutermischungen aus seiner Heimat, die zum Teil von seiner Familie produziert werden. Dass es sich nicht um einen normalen Imbiss handelt, wird selbst dem Unkundigen spätestens dann klar, wenn sich die Scheibe öffnet und der Koch einem meist unvermittelt ein Häppchen zum Probieren herüberreicht. Auch wenn ein Gast auf den vermeintlich bekannten Döner am Drehspieß zurückgreift, wird er mit Schawarma statt Kebab verwöhnt, das aus magerem Hähnchen, Zitronenscheiben und exotischen Gewürzen komponiert ist.
IDLIB Mazen ist Koch aus Leidenschaft. Schon als Kind begann er, mit den Utensilien aus Mutters Küche Kulinarisches zu zaubern. Die Mutter kochte die Rezepte ihres Jungen verwundert nach. Fortan war Kochen seine Leidenschaft. Auch seinen Vater, der anderes für ihn vorgesehen hatte, überzeugte er mit dem innigen Wunsch Koch zu werden. Kurz nachdem Mazen sein Restaurant in Idlib eröffnet hatte, brach der Syrienkrieg aus. Seine Frau Salma sagt heute: „Wir haben alle friedlich zusammengelebt – alle Religionen, alle Ethnien. Syrien war ein Ort der Nachbarschaft und Freundschaft über die Konfessionen hinweg. Der Krieg hat alle zu Feinden gemacht. Menschen, die früher befreundet waren, sahen sich nun mit Argwohn und Befremden.“ Der immer gut gelaunte Mazen wird traurig, wenn er von seinem Restaurant erzählt:
„Eines Morgens war ich wie immer da, um eine Fleischlieferung anzunehmen, jedoch kam sie nicht. Ich sprach noch mit meiner Nachbarin und beschloss, das Restaurant geschlossen zu lassen und meine Mitarbeiter nach Hause zu schicken. Als ich nur zehn Minuten später zu Hause ankam, erfuhr ich per Telefon, dass mein Restaurant von einer Rakete getroffen worden war. Nichts war mehr da, meine Nachbarin tot.“ Er zeichnet das Symbol für Allah in die Luft und sagt mit einem Lächeln: „Ich habe gedankt, dass ich am Leben war, und bin zu meiner Frau aufs Land gefahren. Kaum war ich weg, traf eine Bombe meine Wohnung in Idlib. Ich hatte nichts mehr, noch nicht einmal ein Foto von meinem Restaurant. Da bin ich nach Deutschland gegangen und habe meine Familie nachgeholt.“
LIEBE Mazen liebt Kassel. Salma erzählt, wie sie nach London, Hamburg und Paris gereist sind, um eine neue Heimat für sich zu finden. Bei der Rückkehr glänzten Mazens Augen jedes Mal am Kasselaner Stadtschild. „Ich liebe Kassel, ich möchte nirgendwo anders sein“, sagt er heute noch und unterstreicht diese Aussage glaubwürdig mit seinem gewinnenden Lachen.
Mazen mag sein kleines Reich an der KFZ-Zulassungsstelle. Eigentlich möchte er sich nicht vergrößern, auch nicht zur documenta fifteen. Er scheint zufrieden, mit dem was er hat. Ich glaube, es ist einfach der Frieden, den er genießt, und die kleine Kasselaner Community, in der er, Salma und seine Jungs prima angekommen scheinen. Vielleicht sollte sich der ein oder andere in Zeiten bewaffneter Konflikte hier einmal live und vor Ort informieren, was Krieg wirklich bedeutet und ob Waffen, der Nationalstaat oder die Feindschaft, die er in die Völker trägt, zum Frieden führen können. Ich denke: Waffen töten, sonst nichts.
Das Syrisch-Kasselaner Wissensgemisch, das sich hier bildet, ist einfach und schmackhaft. „Syrer mögen trockene Fleischgerichte – Deutsche gar nicht. Deshalb gebe ich etwas gehaltvolleres Fleisch mit ins Schawarma und zwischen die Lagen am Drehspieß ganze Zitronenscheiben. Dazu gibt es nach Wunsch syrische Soßen, Pasten und Salate.“ Mazen beliefert mit all den farbenprächtigen, mit Safran und Co. gefärbten Dips und Pasten auch große Gesellschaften. Und einmal in der Woche gibt es gegrillte Dorade an der Automeile gleich vor den Schrottplätzen und Import-Export-Händlern.
DOCUMENTA DISH Zum Projekt Eine Landschaft bieten wir gemeinsam ein documenta dish an. Zatar ist ein Gewürz und eine Speise, die seine Mutter Mazen mit auf den Schulweg gab. „Die Kräuter und Gewürze schärfen Aufmerksamkeit, Verstand und Intelligenz.“ Das Rezept ist einfach, aber trotzdem nicht leicht nachzuahmen. Denn Mazen kauft seine Kräuter lokal, ganz nach Qualität, an verschiedenen Orten, bestimmt deren Mischung und verarbeitet sie selbst mit dem Messer zur pas- senden Textur, die den Geschmack maßgeblich mitbestimmt. Zudem hat jeder seine eigene Mischung, die Zatar zu einem personalisierten Geschmackserlebnis macht. Auf dünnes Fladenbrot mit bestem Olivenöl und ein wenig frischem Salat gegeben, wird das kurz getoastete Röllchen zu einer kleinen Geschmacksexplosion der documenta hier im Niemandsland an der Leipziger Straße in Kassel Ost.
LEARNING FROM AL WALI Was man von Mazen lernen kann, ist sicher schwer zu vermitteln und wie viel lokales Wissen eher erleb- denn erlernbar. Das „being there in space and time“ ist ohnehin eine Grundbedingung bei dessen Rezeption. Meine Besuche bei ihm über die anderthalb Jahre, die ich nun nach Kassel Ost gekommen bin, waren geprägt von seiner Passion für das Kochen, die wiederum zeigt, dass Essen viel mehr eine komplexe soziale wie auch ästhetische Interaktion ist denn reine Nahrungsaufnahme.
Zu Mazens Praxis gehört für mich dabei der Plausch mit den Nachbar:innen genauso wie die Völkerverständigung, die sich ganz ungeplant bei der zwanglosen Weitergabe seines komplexen Wissens von selbst einstellt. Dass die große Lebenslust, die er trotz seines dramatischen Lebenslaufs mit seinem breiten Lächeln, das das Leben umarmt, immer vermittelt, eine ganz besondere Gabe des Kochs aus Idlib ist, lässt fast vergessen, was der unscheinbare Kulturaustausch hier an seiner kleinen Theke tagtäglich leistet. Um dies augenscheinlich zu machen, geben wir Mazen ein Zeichen der Sichtbarkeit, das hier an der großen Ausfallstraße auf den legendären Text Learning from Las Vegas von Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour verweist, in dem die drei der Meinung sind, dass Häuser, die außen schon zeigen, was in ihnen steckt, schon fast in Ordnung sind. So landet zur documenta fifteen vielleicht ein überdimensionales Falafel auf Mazens Haus, der der geschmacklich durchweg überzeugenden Meinung ist, seines sei das Beste der Welt. Viel Spaß also beim Probieren!
Al Wali
Automeile
GOURMET Right next to the vehicle registration office is a snack bar that, upon closer inspection and the first taste of its food, reveals itself to be a gourmet oasis in this desert of car dealerships. The name “Al Wali,” like the many specialties on offer before you even reach the hatch, points to the Syrian origins of the chef and owner. Mazen Nouruldeen sells products here such as pomegranate molasses, pickled eggplants, and special blends of herbs from his homeland, some of which are produced by his family. Even the uninitiated will realize that this is not a normal snack bar as soon as the window opens and the chef unexpectedly hands over a morsel to try. Even if a diner falls back on the supposedly familiar döner on a spit, he is treated to a shawarma instead of a kebab, which is com- posed of lean chicken, slices of lemon, and exotic spices.
IDLIB Mazen is a passionate cook. As a child, he began to conjure up culinary delights with utensils from his mother’s kitchen, who followed her son’s recipes with amazement. From then on, cooking was his passion. He even won over his father, who had other plans for him, with his heartfelt desire to become a chef. He opened a restaurant in Idlib, but war broke out in Syria a short time later. Salma, his wife, says today: “We all lived together peacefully—all religions, all ethnicities. Syria was a place of neighborliness and friendship across denominations. The war turned everyone into enemies. People who used to be friends were now viewing each other with suspicion and alienation.” Mazen, who is always cheerful, becomes sad when he talks about his restaurant: “One morning I was there as usual to accept a delivery of meat, but it didn’t come. I went and spoke to my neighbor and decided to keep the restaurant closed and send my staff home. When I arrived home only ten minutes later, somebody called to say that my restaurant had been hit by a missile. There was nothing left, my neighbor was dead.” He draws the symbol for Allah in the air and says with a smile, “I gave thanks that I was alive and went to see my wife in the countryside. As soon as I left, a bomb hit my apartment in Idlib. I had nothing left, not even a photo of my restaurant. So I went to Germany and got my family to join me.”
LOVE Mazen loves Kassel. Salma explains how they traveled to London, Hamburg, and Paris to find a new home for themselves. When they returned, Mazen’s eyes lit up every time he saw the Kassel city sign. Even today he says, “I love Kassel, I wouldn’t want to be anywhere else,” convincingly reinforcing this with his endearing laugh.
Mazen is fond of his small empire at the vehicle registration office. In fact, he does not want to expand, not even for documenta fifteen. He seems content with what he has. I think it’s simply the peace he enjoys and the small Kassel community that he, Salma, and his boys seem to have reached in good shape. Perhaps, in times of armed conflict, people should come here to find out first-hand what war really means, and whether weapons, the idea of the nation state, or the hostility it breeds in people can lead to peace. I think: weapons kill, that’s all.
The mix of knowledge from Syria and Kassel that is being cultivated here is simple and tasty. “Syrians like dry meat dishes—Germans don’t at all. That’s why I add some richer meat to the shawarma and whole lemon slices between the layers on the rotating skewer. It comes with a choice of Syrian sauces, pastes and salads.” Mazen also supplies large companies with a technicolor range of dips and pastes dyed with saffron and the like. And once a week, there’s grilled bream on the car mile, right in front of the junkyards and the import/export dealers.
DOCUMENTA DISH For the project Eine Landschaft (A Land- scape) we are jointly presenting a documenta dish. Za’atar is a spice and a dish that Mazen’s mother used to make for him to take on the journey to school. “The herbs and spices sharpen your attention, mind, and intelligence.” This simple recipe is not easy to imitate, however. That’s because Mazen buys his herbs locally at different locations, entirely according to quality, determines the correct mixture, and chops them himself until they reach the appropriate texture, which plays a major role in determining the taste. Furthermore, everyone has their own blend, which makes za’atar a personalized taste experience. Served on a thin flatbread with the best olive oil and a little fresh salad, this lightly toasted roll becomes a little documenta taste sensation here in the no-man’s-land of Leipziger Strasse in East Kassel.
LEARNING FROM AL WALI It is certainly difficult to convey what you can learn from Mazen, and like much local knowledge, it is experienced rather than learned. In any event, “being there in space and time” is a basic condition for its reception. My visits to him over the past year and a half that I have now been coming to East Kassel have been shaped by his passion for cooking, which in turn shows that eating is a much more complex social and aesthetic interaction than purely consuming food.
For me, Mazen’s practice includes chatting with his neighbors as well as intercultural understanding, which comes about quite unintentionally when he informally passes on his complex knowledge. Despite his dramatic life to date, this cook from Idlib has a great zest for life, conveyed by his permanently big, life-embracing smile: this is such a special gift that it almost makes you forget what this inconspicuous cultural exchange achieves here at his little counter every single day. To make this more apparent, we have given Mazen a sign to increase his visibility on this major arterial road; it references the legendary text Learning from Las Vegas by Robert Venturi, Denise Scott Brown and Steven Izenour, who think, that houses that already show on the outside what they are, are almost okay. That is why, for documenta fifteen, an oversized falafel has landed on Mazen’s building, who is of the thoroughly convincing opinion that his is the best in the world. We hope you enjoy trying it!
Ein Projekt von
mit Renée Tribble/TU Dortmund
und den Initiativen von Kassel Ost