Blüchergarten
Gemeinschaftsgarten
GRABELAND Der Blüchergarten wurde von der Familie Balcke als offene Gartenlandschaft schon in den 1980er-Jahren auf einem Stück Grabeland gegründet. Ganz ohne Zäune und Begrenzungen entstand hier aus einem spröden Acker über die Jahre ein klassischer Gemeinschaftsgarten, in dem bis heute alle Generationen und Ethnien in großem Einvernehmen arbeiten. War früher auch die Nutzpflanzenzucht als Zusatzversorgung relevant, wurde diese Funktion sukzessive in die angrenzende SOLAWI oder das Selbsterntefeld verlagert. So gewann der Garten mehr Platz für das Naturschöne, die Freizeit, die Kinder und die Beschäftigung mit der Gemeinschaft.
DIE BALCKES Das Gründerehepaar Gretel und Christian Balcke sind mit Sohn Philip vielleicht der Nukleus dieser ge- mischten Gemeinschaft, die gut in die Sozialstruktur der Unterneustadt integriert ist. Christian Balcke, den ich nun bereits seit knapp zwei Jahren kenne, hat mich besonders durch seine humanistische, offene Haltung und seinen unbändigen Antrieb zum Handeln, der immer mit einer sanften vermittelnden Note verknüpft ist, beeindruckt.
Seine Energie scheint grundlegend für den Zusammenhalt dieses Ortes zu sein. Denn offene Gärten sind auch immer Soziobiotope, deren Gemeinschaftlichkeit einer steten Begründung bedarf – denn sonst ziehen sich die Mitglieder ins Private zurück. All die von den Balckes so profund mit den Jahreszeiten verknüpften Feste und Aktionen, die durchweg subtil der Community-Bildung dienen, verbinden die Gemeinschaft auf nahezu anthroposophische Weise mit dem Gartenjahr. Mus-Machen und Gartenzirkus scheinen dabeibesonders wichtig.
Christian Balcke als Architekt und Gretel Balcke als beeindruckende Kämpferin der Grünen-Gründergeneration haben sicher mehr mitzuteilen, als hier in der Kürze darstellbar ist. Ihr Sohn Philip hat mich besonders als Maschinist des Gartens mit einem eigens gebauten Windrad beeindruckt. Rein aus Gebrauchtmaterialien zusammengesetzt, folgt es so den Grundsätzen der Transformation: „Nach dem Vorbild des Fahrraddynamo-Windrads entstanden größere Bauwerke nach der Bauanleitung von ‚Einfälle statt Abfälle‘, die nun im Garten strombetriebene Geräte antreiben können: Licht, Radio, ein Rasenmäher, eine Wasserfasspumpe, eine Heckenschere und das Häckselwerk zum Apfelsaftpressen werden über einen 12-Volt-Batteriestromspeicher angetrieben, ein Gartenhäcksler und eine Kettensäge über einen Spannungswandler.“
TRANSLOZIERUNG Christian Balcke zeigt sich in seiner kleinen Werkstatt auch als umfassend Kunstinteressierter. Be- sonders seine mit Rötel und Pastellkreiden gefertigten Zeichnungen, in denen er Arbeiten der verschiedenen documentas flugs in den öffentlichen Raum der Unterneustadt transloziert, zeugen von einem tiefen Interesse an den globalen Diskursen, die er im lokalen Ambiente seiner Umgebung neu kontextualisiert – eine fundierte intellektuelle Verknüpfung globallokaler Prägung, die man sich von mancher künstlerischen Arbeit wünschen würde.
LINOL Seine feinen Linolschnitte, deren Abdrucke hier und da den Arbeitsplatz zieren, erzählen dagegen vornehmlich die Geschichte des Gartens. Windrad und Gartenzirkus, Muspresse und Queckenwicht werden zu kleinen Motivgruppen, die zwischen einfacher Strichzeichnung und expressionistischem Duktus ein Netzwerk an alltagskulturellen Erzählungen er- öffnen. Im Rahmen des Projekts werden wir sie in einem kleinen Glashaus am Rande des Gartens ausbreiten, um die zurückhaltend stille wie einfach schöne Erzählung dieses unscheinbaren Ortes zu teilen.
Blüchergarten
Community Garden
GRABELAND The Blüchergarten was founded by the Balcke family back in the 1980s as an open garden landscape on a plot of unused land. Without any fences or boundaries, this rough field was transformed over the years into a classic community garden where all generations and ethnic groups continue to work together in great harmony. While in the past the cultivation of crops was also important as a supplementary source of food, this element has been gradually shifted to the adjacent SOLAWI (community-supported agriculture) and the harvest-your-own field. The garden thus gained more space for natural beauty, leisure, children, and community engagement.
BALCKE FAMILY Together with their son Philip, the founders Gretel and Christian Balcke are perhaps the nucleus of this diverse community, which is also well integrated into the social structure of Unterneustadt. Christian Balcke, whom I have known for almost two years now, has particularly impressed me with his humanistic, open attitude and his irrepressible drive to act, which is always combined with a gentle mediating touch.
His energy seems fundamental to the cohesion of this place. After all, open gardens are also always socio-biotopes whose communality requires constant substantiation, otherwise the members withdraw into the private sphere. All the festivals and campaigns that are so deeply linked to the seasons by the Balckes subtly foster ongoing community building and connect the community to the yearly rhythms of the garden in an almost anthroposophical way. Making apple sauce and the garden circus seem particularly important in this regard.
As an architect and a formidable active campaigner from the founding generation of the Green party respectively, Christian and Grete Balcke certainly have more to share than can be presented here. Their son Philip also particularly impressed me as the garden’s resident engineer with a specially built wind turbine composed entirely of used materials, thus following the principles of transformation: “Modeled on the bicycle dynamo windmill, larger structures were created using the Einfälle statt Abfälle (Ideas Not Waste) construction manual that can now power electricity-operated devices in the gar- den. Lights, a radio, a lawn mower, a water barrel pump, hedge trimmers, and the apple press are powered by a 12V battery power bank, while a garden shredder and a chainsaw are powered by a voltage converter.”
TRANSLOCATION In his small workshop, Christian Balcke also reveals himself to be deeply interested in art. In particular, his drawings made with red chalk and pastels, in which he fluidly relocates works from the various documenta exhibitions into the public space of Unterneustadt, testify to a sincere interest in global discourses, which he recontextualizes in the local ambience of his surroundings—a profound intellectual combination of the global and the local that I wish was present in more artistic works.
LINOL His fine linocuts, on the other hand, primarily tell the story of the garden. Dotted around the workplace, the prints of a windmill and circus, apple press and ... become small groups of motifs that, somewhere between a simple line drawing and a more expressionist style, establish a network of everyday cultural narratives. For the project, we have displayed them in a small greenhouse at the edge of the garden to share in the understated quiet and simply beautiful narrative of this unassuming place.
Blüchergarten
Gemeinschaftsgarten
GRABELAND Der Blüchergarten wurde von der Familie Balcke als offene Gartenlandschaft schon in den 1980er-Jahren auf einem Stück Grabeland gegründet. Ganz ohne Zäune und Begrenzungen entstand hier aus einem spröden Acker über die Jahre ein klassischer Gemeinschaftsgarten, in dem bis heute alle Generationen und Ethnien in großem Einvernehmen arbeiten. War früher auch die Nutzpflanzenzucht als Zusatzversorgung relevant, wurde diese Funktion sukzessive in die angrenzende SOLAWI oder das Selbsterntefeld verlagert. So gewann der Garten mehr Platz für das Naturschöne, die Freizeit, die Kinder und die Beschäftigung mit der Gemeinschaft.
DIE BALCKES Das Gründerehepaar Gretel und Christian Balcke sind mit Sohn Philip vielleicht der Nukleus dieser ge- mischten Gemeinschaft, die gut in die Sozialstruktur der Unterneustadt integriert ist. Christian Balcke, den ich nun bereits seit knapp zwei Jahren kenne, hat mich besonders durch seine humanistische, offene Haltung und seinen unbändigen Antrieb zum Handeln, der immer mit einer sanften vermittelnden Note verknüpft ist, beeindruckt.
Seine Energie scheint grundlegend für den Zusammenhalt dieses Ortes zu sein. Denn offene Gärten sind auch immer Soziobiotope, deren Gemeinschaftlichkeit einer steten Begründung bedarf – denn sonst ziehen sich die Mitglieder ins Private zurück. All die von den Balckes so profund mit den Jahreszeiten verknüpften Feste und Aktionen, die durchweg subtil der Community-Bildung dienen, verbinden die Gemeinschaft auf nahezu anthroposophische Weise mit dem Gartenjahr. Mus-Machen und Gartenzirkus scheinen dabeibesonders wichtig.
Christian Balcke als Architekt und Gretel Balcke als beeindruckende Kämpferin der Grünen-Gründergeneration haben sicher mehr mitzuteilen, als hier in der Kürze darstellbar ist. Ihr Sohn Philip hat mich besonders als Maschinist des Gartens mit einem eigens gebauten Windrad beeindruckt. Rein aus Gebrauchtmaterialien zusammengesetzt, folgt es so den Grundsätzen der Transformation: „Nach dem Vorbild des Fahrraddynamo-Windrads entstanden größere Bauwerke nach der Bauanleitung von ‚Einfälle statt Abfälle‘, die nun im Garten strombetriebene Geräte antreiben können: Licht, Radio, ein Rasenmäher, eine Wasserfasspumpe, eine Heckenschere und das Häckselwerk zum Apfelsaftpressen werden über einen 12-Volt-Batteriestromspeicher angetrieben, ein Gartenhäcksler und eine Kettensäge über einen Spannungswandler.“
TRANSLOZIERUNG Christian Balcke zeigt sich in seiner kleinen Werkstatt auch als umfassend Kunstinteressierter. Be- sonders seine mit Rötel und Pastellkreiden gefertigten Zeichnungen, in denen er Arbeiten der verschiedenen documentas flugs in den öffentlichen Raum der Unterneustadt transloziert, zeugen von einem tiefen Interesse an den globalen Diskursen, die er im lokalen Ambiente seiner Umgebung neu kontextualisiert – eine fundierte intellektuelle Verknüpfung globallokaler Prägung, die man sich von mancher künstlerischen Arbeit wünschen würde.
LINOL Seine feinen Linolschnitte, deren Abdrucke hier und da den Arbeitsplatz zieren, erzählen dagegen vornehmlich die Geschichte des Gartens. Windrad und Gartenzirkus, Muspresse und Queckenwicht werden zu kleinen Motivgruppen, die zwischen einfacher Strichzeichnung und expressionistischem Duktus ein Netzwerk an alltagskulturellen Erzählungen er- öffnen. Im Rahmen des Projekts werden wir sie in einem kleinen Glashaus am Rande des Gartens ausbreiten, um die zurückhaltend stille wie einfach schöne Erzählung dieses unscheinbaren Ortes zu teilen.
Blüchergarten
Community Garden
GRABELAND The Blüchergarten was founded by the Balcke family back in the 1980s as an open garden landscape on a plot of unused land. Without any fences or boundaries, this rough field was transformed over the years into a classic community garden where all generations and ethnic groups continue to work together in great harmony. While in the past the cultivation of crops was also important as a supplementary source of food, this element has been gradually shifted to the adjacent SOLAWI (community-supported agriculture) and the harvest-your-own field. The garden thus gained more space for natural beauty, leisure, children, and community engagement.
BALCKE FAMILY Together with their son Philip, the founders Gretel and Christian Balcke are perhaps the nucleus of this diverse community, which is also well integrated into the social structure of Unterneustadt. Christian Balcke, whom I have known for almost two years now, has particularly impressed me with his humanistic, open attitude and his irrepressible drive to act, which is always combined with a gentle mediating touch.
His energy seems fundamental to the cohesion of this place. After all, open gardens are also always socio-biotopes whose communality requires constant substantiation, otherwise the members withdraw into the private sphere. All the festivals and campaigns that are so deeply linked to the seasons by the Balckes subtly foster ongoing community building and connect the community to the yearly rhythms of the garden in an almost anthroposophical way. Making apple sauce and the garden circus seem particularly important in this regard.
As an architect and a formidable active campaigner from the founding generation of the Green party respectively, Christian and Grete Balcke certainly have more to share than can be presented here. Their son Philip also particularly impressed me as the garden’s resident engineer with a specially built wind turbine composed entirely of used materials, thus following the principles of transformation: “Modeled on the bicycle dynamo windmill, larger structures were created using the Einfälle statt Abfälle (Ideas Not Waste) construction manual that can now power electricity-operated devices in the gar- den. Lights, a radio, a lawn mower, a water barrel pump, hedge trimmers, and the apple press are powered by a 12V battery power bank, while a garden shredder and a chainsaw are powered by a voltage converter.”
TRANSLOCATION In his small workshop, Christian Balcke also reveals himself to be deeply interested in art. In particular, his drawings made with red chalk and pastels, in which he fluidly relocates works from the various documenta exhibitions into the public space of Unterneustadt, testify to a sincere interest in global discourses, which he recontextualizes in the local ambience of his surroundings—a profound intellectual combination of the global and the local that I wish was present in more artistic works.
LINOL His fine linocuts, on the other hand, primarily tell the story of the garden. Dotted around the workplace, the prints of a windmill and circus, apple press and ... become small groups of motifs that, somewhere between a simple line drawing and a more expressionist style, establish a network of everyday cultural narratives. For the project, we have displayed them in a small greenhouse at the edge of the garden to share in the understated quiet and simply beautiful narrative of this unassuming place.
Ein Projekt von
mit Renée Tribble/TU Dortmund
und den Initiativen von Kassel Ost